Inspiration

Eine Orange zu Weihnachten

19. December 2014
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Schon als kleiner Junge hatte ich meine Eltern verloren und kam mit 9 Jahren in ein Waisenhaus in der Nähe von London. Es war für mich wie ein Gefängnis. Wir mussten den ganzen Tag im Garten arbeiten, in der Küche, im Stall und auf dem Feld. Es gab keine Abwechslung, und im ganzen Jahr gab es nur einen Ruhetag, das war Weihnachten. Und an diesem Tag bekam jeder Junge eine Orange. Das war alles – aber eine Orange bekam man nur, wenn man immer folgsam gewesen war.

Diese Orange verkörperte für mich die Sehnsucht eines ganzen Jahres. So kam wieder ein Christtag, aber ich ging leer aus, weil ich aus lauter Heimweh einmal weglaufen wollte aus dem Heim. Ich musste bei der Verteilung zusehen. Anschliessend durften alle auf dem Hof spielen, aber ich wollte nicht, ich lief weinend in den Schlafsaal – ich wollte nicht mehr leben.

Nach einer Weile hörte ich Schritte im Zimmer. Eine Hand zog meine Bettdecke weg, unter der ich mich verkrochen hatte. Ich blickte auf – vor meinem Bett stand William, ein kleiner Kollege.
Er hatte eine Orange in der Hand und hielt sie mir entgegen. Ich sah abwechselnd auf William und auf die Frucht und spürte, dass mit dieser Orange etwas Besonderes geschehen sein musste. Ich sah, dass die Orange bereits geschält war… Tränen traten in meine Augen, als ich die Hand ausstreckte, um die Frucht entgegen zu nehmen. Warum wusste ich, dass ich fest zupacken musste, damit sie nicht auseinander fiel? Was war geschehen?

Zehn Knaben, meine Kollegen, hatten sich im Hof zusammen getan und beschlossen, dass auch ich zu Weihnachten meine Orange haben müsste. So hatte jeder die seine geschält und jeweils einen Schnitz davon abgetrennt. Die zehn abgetrennten Scheiben hatten sie sorgfältig zu einer neuen, schönen und runden Orange zusammengesetzt.

Diese Orange war das schönste Weihnachtsgeschenk in meinem Leben. Sie lehrte mich, wie tröstlich echte Freundschaft und Kameradschaft sein kann.

Seit diesem Tag versuche auch ich, vor Weihnachten jemandem eine Orange zu schenken. Sie muss nicht gross sein. Es kann sogar nur ein Teil davon sein. Wichtiger ist, dass der andre merkt, dass er nicht vergessen wird.

Autor unbekannt.

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